
1791. Portrait en face im Medaillon. Kreide über Bleistiftspuren auf Karton. 31,3 * 28,1 cm. bez. unten rechts 'Lips de: ad nat.' Freies Deutsches Hochstift / Frankfurter Goethe-Museum
Goethe, der J.H. Lips in Rom 1786-88 wiedergetroffen hatte, riet dem
Herzog nach seiner Rückkehr von Italien, Lips nach Weimar zu
berufen. Herzog Carl August bestellte diesen 1789 zum Professor der
Zeichnungsakademie, was er bis 1794 blieb. Am 13., 14. und 16. Januar
1791 saß Goethe Lips zu einem Porträt, dessen Nachstich
weite Verbreitung fand. Am 20. März schrieb Goethe an Friedrich
Heinrich Jakobi: Lips hat mein Porträt gezeichnet und ist
beschäftigt es zu stechen, ich kann hoffen daß es sehr gut
geraten wird. Die Anzeige davon findest Du in dem Modejournal und der
Literaturzeitung. Willst du einige so schreibe es mir daß ich
sorge daß du gute Exemplare erhaltest. Lips wird sich mit den
Abdrücken selbst Mühe geben und wahrscheinlich deshalb nach
Kassel reisen.
Goethe wendet sich hier frontal und ernst dem Betrachter zu; als Sockel
für den monumentalen Kopf dient das hoch aufgebundene
weiße Halstuch. Ein großes Haarteil gibt seinem
Antlitz ein löwenartiges Aussehen. Der aus der Antike stammende
Topos der Löwenphysiognomie, als Kennzeichen der Stärke und
des Mutes, wurde in der Renaissance als Herrschertypus wieder
aufgegriffen und in der barocken Herrscherallegorik als politische
Erhöhung verwendet. Die hohe breite Stirn gilt in der Tradition
der Charakterauslegung als Ausdruck geistiger und kreativer
Fähigkeiten. Wie schon Rollett 1883, S. 92, bemerkt, wechselt hier
der Apollocharakter früher Goethebildnisse in den Jupitertypus.
Das Bild wurde so bekannt, daß Leute Goethe, wenn sie ihn im
Original kennenlernten, mit diesem Porträt verglichen.
Aus: Goethe und die Kunst, S. 165
<http://www.isc.meiji.ac.jp/~mmandel/recherche/goethe_lips.html>
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