Johann Conrad Seekatz: Die Familie Goethe im Schäferkostüm. 1762

KommentarGoethe-Galerie — Voriges Bild — Nächstes Bild

Zur Inhaltsübersicht

Seekatz, Die Familie Goethe im Schäferkostüm

Öl auf Holz, 820 x 565 mm (mit Rahmen), 750 x 495 mm (ohne Rahmen). Signatur unten links: J.C. Seekatz 1762. Goethe-Nationalmuseum, Weimar.

Seekatz' Gruppenbildnis der Familie Goethe, das seit rund einhundert Jahren insbesondere als bezeugtes Kindheitsporträt des Dichters publiziert wurde, ist aufgrund einer im väterlichen Haushaltsbuch vermerkten Ausgabe von 60 Gulden in das Jahr 1762 zu datieren. Johann Conrad Seekatz hatte zu jener Zeit, nach seiner Ausbildung in der Familienwerkstatt sowie in Mannheim, die Stelle als zweiter Hofmaler in Darmstadt inne. Diese Position zwingt ihn zur Aufbesserung seines Salärs; es gelingt ihm, im Kreis Frankfurter Kunstsammler nicht nur neue Auftraggeber, sondern auch freundschaftliche Verbindungen, wie zur Familie Goethe, zu finden.

Die von Seekatz für das Goethesche Familienbild gewählte Gattung des repräsentativen Gruppenbildnisses im Freien entspricht gegen Mitte des 18. Jahrhunderts der Konvention des höfischen Protraits; sie strahlt alsbald in bürgerliche Kreise aus und läßt sich auch in Darmstadt belegen. Während Seekatz' seine eher steifen Figuren paarweise nach geometrischem Grundmuster komponiert, wird die zeittypische, ausgesprochen aufwendige Garderobe des Frankfurter Bürgerpaares durch hellrote und hellblaue Draperien, einen blumengarnierten Strohhut und attributiv begegebene Schafe als rokokomodische Schäfertracht aufgefaßt. Wenngleich Catharina Elisabeth mit demonstrativer Geste auf die freie Landschaft verweist, ihr Sohn Johann Wolfgang sich herabbeugend ein Schaf streichelt und die Tochter Cornelia in anmutig-artiger Weise ein Blumengebinde hält, läßt der insgesamt kontemplative Ausdruck der Figuren trotzdem kein wirklich inniges Verhältnis zu der umgebenden Natur erkennen.

Doch gibt gerade der Landschaftshintergrund der Darstellung weiterreichende Bedeutung: Ein schattiger Hain rechts und ein links in südlich-dunstiges Licht getauchter, idealisierter Ausblick im Geschmack Lorrains stimmen den Ton einer arkadischen, von Hirten und Herden bevölkerten Landschaft an.

Die Figurengruppe direkt hinterfangend, fallen jedoch drei über Eck gestellte, ein zerfallenes und doch überwuchertes Gebälk tragende Säulen samt einer mächtigen Urne auf. Dieses auch von Landschaften Christian Georg Schütz' bekannte Ruinenmotiv gemahnt als überdeutliches 'Memento mori' und der klassischen Losung 'Et in Arcadia ego' gemäß an die Vergänglichkeit des Menschen selbst in arkadischen Gefilden; so wird die Szene bukolischen Glücks mit einem elegischen Grundton unterlegt. Die fünf nackten Kinder im Hintergrund rechts werden — wohl seit der Beschreibung des Gemäldes in einem 1808 datierten Brief Achim von Arnims — denn auch als Genien der fünf frühverstorbenen Geschwister Goethes gedeutet; ein Wasserlauf trennt sie von der Sphäre der Lebenden.

Seekatz bereitet das Gemälde in einer ersten, schnell gezeichneten und flüchtig in Grau getuschten Zeichnung vor, die bereits wesentliche Elemente der Komposition andeutet. Eine weitere Tuschzeichnung zeigt ausgesprochen frische und lebendige, sicher nach dem Modell ausgeführte Figurenstudien. Das maskeradenhafte Schäferkostüm sollte dabei ursprünglich durch weitere Attribute wie Korb und Hirtenstab oder die antikischen Sandalen Johann Caspar Goethes unterstrichen werden. Die abgemilderte, letztlich repräsentativere Ausgestaltung im Gemälde jedoch entspricht wohl ebenso den Wünschen des Auftraggebers, wie sich die Herkunft der dem Maler vermutlich exakt vorgegebenen Idee zu dem gesamten Bild in das Umfeld der Italienreise Johann Caspar Goethes lokalisieren läßt.

Gerhard Kölsch

Aus: Wiederholte Spiegelungen, Bd. 1, S. 316.

<http://www.isc.meiji.ac.jp/~mmandel/recherche/goethe_familie_seekatz.html>
Kontakt, Impressum & Datenschutzerklärung